1946 - 1955
1946
Auch in diesem Jahr produziert die hungernde Belegschaft überwiegend für
Reparationsleistungen an die Alliierten.
Wie schon im Vorjahr entsteht eine ganze Palette von Limousinen, Lieferwagen, Krankenwagen
und Cabrios - zumeist in Kleinstauflage, zusammengeklaubt aus vorgefundenen Teilen. Neben
den VW 51 tritt jetzt das Ur- Nachkriegsmodell, der VW Standard (Typ 1). Im Oktober läuft
bereits der 10.000. nach Kriegsende produzierte VW vom Band.
1947
Die Energie- und Materialknappheit im überdies von einem harten Winter geplagten
Deutschland erzwingt einen Produktionseinbruch. Doch die Beteiligung an der
Exportausstellung in Hannover bringt neue Impulse: Der Holländer Ben Pon erteilt den
ersten Auslandsauftrag über 1.000 Limousinen, von denen aber vorerst nur 56 geliefert
werden können.
Die Briten beschließen, sich aus dem Management zurückzuziehen und einen deutschen
Werksleiter einzusetzen.
1948
Seit dem 1. Januar ist der frühere Opel-Manager Heinrich Nordhoff Generaldirektor von VW.
Unter Nordhoffs Leitung wird der Käfer zum Synonym für VW. Seine Modellpolitik wird
heißen: ständige Detailverbesserungen, keine Aufgabe des Käfers zugunsten neuerer
Modelle. Ihm gelingt es, die zusammengewürfelte Belegschaft zu einer Gemeinschaft
zusammenzuschweißen und den Menschen Hoffnung auf eine bessere Zukunft zu vermitteln.
Der 20.000. seit Kriegsende produzierte VW läuft im Januar vom Band. Doch
Kapitalprobleme, Export- und Eigentumsbeschränkungen durch die Militärverwaltung machen
dem Werk zu schaffen. Erst die Währungsreform am 20. Juni bringt den Durchbruch:
schlagartig können auf Halde liegende Wagen abgesetzt werden, es kommt sogar zu
Lieferfristen. Erstmals dürfen deutsche Zivilisten genehmigungsfrei Autos erwerben (Preis
DM 5.000), auch Exportlizenzen werden erteilt.
Das zweisitzige VW-Cabrio von Hebmüller (mit zwei Notsitzen) geht in Serie. Von ihm
werden nur 696 Stück zwischen 1948 und 1953 hergestellt. Hebmüller baut auch offene
Polizeiwagen mit Segeltuchverdeck und -türen, Miesen ein Sanitätsfahrzeug auf
Käferbasis.
Der im Oktober gegründete "Hilfsverein ehemaliger Volkswagensparer" klagt auf
Lieferung der angesparten Autos.
1949
Januar: Ben Pon, der holländische Importeur, will die Amerikaner für den Käfer
begeistern. Vergebens. Um auf dem US-Markt mit seinen höheren Ansprüchen doch Fuß
fassen zu können, bringt VW im Juli das Exportmodell heraus (seine technischen Daten:
1131 ccm/25 PS entsprechen denen des Standard-Modells). Mit qualitativen und optischen
Verbesserungen wie verchromten Stoßstangen und Radkappen, Zweispeichenlenkrad, mehr
Komfort im Innenraum wird der Export-Erfolg des Käfers begründet.
Ab diesem Jahr entfällt die Heckkurbel, mit der man den Motor notfalls per Hand starten
konnte.
Produktionsbeginn des viersitzigen Käfer-Cabriolets von Karmann.
Am 6. September übergeben die Alliierten die Verfügungsgewalt über das Werk an die
Bundesrepublik Deutschland. Damit ist endlich die drohende Demontage zugunsten der
Siegermächte aus der Welt.
Ferdinand Porsches Sohn und enger Mitarbeiter Ferry wird per Vertrag als technischer
Berater an das VW-Werk gebunden (Konkurrenzausschluß!).
1950
Auf Anregung des Holland-Importeurs Ben Pon erscheint im März ein vollkommen neues Modell
auf dem Markt: der VW-Transporter (Typ 2), im Volksmund Bully genannt. Er basiert auf der
Technik des Käfers. Der Motor ist ebenfalls im Heck untergebracht, der Fahrersitz über
der Vorderachse - insgesamt ein Konzept für gute Raumausnutzung, mit dem man die
Gewerbetreibenden an sich binden will.
Der 100.000. seit Kriegsende gebaute VW wird im März gefeiert und im April ist bei der
Firma Karmann in Osnabrück schon das 1.000. VW-Cabrio fertig.
Im Juli beginnt VW mit dem Export des Käfers in die USA. Dort wird der Wagen von einem
Motorkritiker als "Mistkäfer-ähnliches Gefährt" willkommen geheißen. Wenn
der Wagen auch rein äußerlich wenig ansprechend erscheint, den technischen Vorzügen
kann sich die amerikanische Kritik nicht verschließen.
In Deutschland ist inzwischen jeder 2. neuzugelassene Pkw ein VW. Am beliebtesten ist
dabei der Export, vor allem in der Version mit faltbarem Sonnendach.
Das erste Auslandsmontagewerk entsteht in Irland. Komplett zerlegte Käfer werden dort
zusammengebaut.
Und in Österreich stellt Tatra auf Basis des Käfers Polizei-Streifenwagen her mit
Klappverdeck und vier Türen.
1951
VW exportiert schon in 29 Länder und hinkt mit der Fertigung stets den eingehenden
Aufträgen hinterher. Erschwerend kommt jetzt auch noch die Koreakrise hinzu:
Rohstoffmangel und Materialknappheit führen zu zeitweiligen Produktionsstillegungen.
Eine schon im Folgejahr verworfene Designänderung: die Frischluftklappen seitlich vorn -
der Volksmund nennt sie "Rheumaklappen" - sieht man nur am Käfer Jahrgang '51.
Weitere Änderungen betreffen eine verbesserte Heizung, die Einführung der automatischen
Innenraumbeleuchtung durch einen Türkontaktschalter und Zierrahmen um die
Windschutzscheibe.
Auf der Internationalen Automobilausstellung erregt ein Gefährt des bekannten Berliner
Traditionsbetriebs Rometsch Aufsehen: ein schnittig-eleganter Sportwagen, der wegen seiner
Linienführung als "Banane" berühmt wird und zum Liebling der Schauspieler in
Deutschland und Hollywood avanciert. Die ersten Exemplare dieses Käfer-Abkömmlings gab
es schon 1949.
1952
Die große technische Neuerung des Jahres, jedenfalls beim Exportmodell und Cabrio, ist
die Synchronisierung des Getriebes, mit Ausnahme des 1. Gangs. Seither ist beim Schalten
kein Zwischengas mehr nötig.
Die ab 13. Oktober in den Handel kommenden Wagen weisen Detailänderungen an rund 500
Teilen auf, darunter Verbesserungen bei Stoßdämpfern, Vergaser, Reifen. Kleine seitliche
Ausstellfenster in den Türen bringen mehr Komfort. Auffälliges äußeres Merkmal:
breitere Stoßstangen mit kräftigeren Hörnern.
Auch der Transporter erhält das synchronisierte Getriebe. Als neue Transporterversion
kommt im September der Pritschenwagen heraus.
Die Berliner Karosseriefabrik Rometsch stellt bis 1955 dreißig Exemplare eines
viertürigen Käfer-Taxis her, bei dem Fahrwerk und Aufbau verlängert sind.
Volkswagen Canada Ltd. wird als Verkaufsgesellschaft gegründet.
1953
Der März '53 überrascht mit der bedeutendsten optischen Änderung der bisherigen
Käfergeschichte. Das "Brezelfenster" verschwindet, an seine Stelle tritt das
ovale Heckfenster. Die neuen Rücklichter haben integrierte Bremsleuchten und der Wischer
geht jetzt nach dem Ausschalten automatisch in die Ruhelage zurück! Ab diesem Modelljahr
entfällt der Anlaßdruckknopf, überflüssig wurde er durch das kombinierte
Zünd-/Anlaßschloß. Noch nicht verschwunden ist der Winker, der hinter der Tür seitlich
ausklappende Hebel zum Anzeigen der Fahrtrichtung. Sein Schalter befindet sich neuerdings
als langer Hebel links am Lenkrad.
Am 3. Juli feiert Wolfsburg den 500.000. Käfer.
Inzwischen werden Käfer und Transporter in 86 Länder exportiert. Volkswagen do Brasil
wird gegründet, zunächst als Montagewerk, bald auch zur eigenen Fertigung. Obwohl die
kriegsbedingten Vorbehalte der ausländischen Kundschaft noch groß sind, überzeugt doch
die Technik: VW ist weltweit zum viertgrößten Automobilhersteller aufgestiegen.
1954
An die Stelle des 25 PS-Motors tritt die 30 PS-Maschine mit 1192 ccm Hubraum, und zwar bei
Standard, Export, Cabrio und Transporter. Dadurch steigt die Höchstgeschwindigkeit von
100 auf 108 km/h. Hintergrund ist die Aufhebung der Geschwindigkeitsbegrenzung auf
deutschen Autobahnen. Natürlich will der Käfer nicht der besser motorisierten Konkurrenz
hinterherlaufen.
Nach viereinhalb Jahren erreicht der Transporter im Oktober bereits sein 100.000.
Produktionsjubiläum.
In diesem Jahr kommt ein Montagewerk in Australien dazu und die systematische
Erschließung des amerikanischen Markts beginnt mit Vorbereitungen für die Aufstellung
einer flächendeckenden Verkaufsorganisation.
1955
Nach zweijähriger Entwicklungszeit präsentiert man der Öffentlichkeit das Coupé von
Karmann Ghia. Es ist zweisitzig, mit zwei umklappbaren Notsitzen. Der elegante Sportwagen
kombiniert Käfermotor und -chassis mit einer Karosserie, die bei Karmann in Osnabrück
gebaut wird. Das Styling dazu stammt vom Turiner Karosseriedesigner Ghia.
Der Käfer selbst erreicht am 5. August die stolze Fertigungszahl von 1 Million. Dieses
Jubiläum wird im großen Stil mit Gästen aus aller Welt gefeiert und VW-Chef Nordhoff
erhält das große Bundesverdienstkreuz mit Stern.
In Deutschland erreichen die Käferpreise ihren nie unterbotenen Tiefststand: DM 3.790
für das Standard- und DM 4.600 für das Exportmodell.
In den USA sind jetzt offiziell zwei Verkaufsgesellschaften etabliert: Volkswagen United
States Inc. und Volkswagen of America. Ihnen gelingt es, mit knapp 36.000 Wagen den
US-Absatz auf das Vierfache des Vorjahres zu steigern: immer mehr begeistern sich die
Amerikaner für das deutsche "Krabbeltier".
Bei den Export-Autos für den US-Markt ersetzen übrigens kugelförmige Blinker auf den
vorderen Kotflügeln den seitlichen Winker.
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